
Der US-Pornostar Cherie DeVille hat auf dem einflussreichen Nachrichtenportal The Daily Beast einen flammenden Angriff auf die deutschen Zensurbehörden veröffentlicht. Laut der bekannten Darstellerin sind alle europäischen Vorhaben zur Altersverifikation weder mit einem freien Internet, noch mit dem Recht auf freier Meinungsäußerung vereinbar. Darüber hinaus verschlechtern die insgesamt geplanten Vorhaben auf europäischer Ebene die rechtliche und gesamtgesellschaftliche Situation von SexarbeiterInnen.
Das US-Onlinemagazin Daily Beast hat letzten Freitag einen wichtigen Beitrag der Pornodarstellerin Cherie DeVille veröffentlicht. In ihrem Artikel kritisiert der Star die europäischen Vorhaben zur verpflichtenden Altersverifikation im Internet als zutiefst undemokratisch und als Gefahr für SexarbeiterInnen weltweit. Aus ihrer Sicht sind die geplanten Vorhaben ein erster Schritt zu einer Kriminalisierung der Pornografie in ihrer Gesamtheit.
Hier der Beitrag im Wortlaut:
Auf dem Papier hört sich das neue Gesetz zur Pornografie erstmal gut an. Deutschland hat ein Gesetz verabschiedet, das die Anbieter von Online-Pornografie verpflichtet, das tatsächliche Alter der Nutzer zu überprüfen, bevor sie sich Inhalte ansehen, die für Minderjährige sind. Theoretisch müssen die Nutzer also ihren Personalausweis oder andere Dokumente zur Altersverifikation hochladen, bevor sie Inhalte für Erwachsene konsumieren können. Ich und andere Pornostars sind dafür, Kinder von Pornoseiten fernzuhalten. Wie ich schon gefühlte eine Million Mal geschrieben habe, heißt Adult Entertainment eben deshalb »Erwachsenenunterhaltung«, weil sie zur Unterhaltung von Erwachsenen gedacht ist. Die Vorstellung, dass Minderjährige meine Videos sehen, widert mich an, und auch andere professionelle Pornodarsteller wollen nur, dass Erwachsene ihre Inhalte anschauen.
Doch die Umsetzung des Gesetzes in Deutschland hat bisher lediglich Sexarbeiterinnen geschadet. Wie das Ezine Wired berichtet, hat die deutsche Kommission für Jugendschutz Twitter wegen des Hostings von Porno-Accounts abgemahnt. Da Twitter keine Altersüberprüfung vornimmt, hat der Social-Media-Riese daraufhin beschlossen, mindestens 60 Pornostars von seiner Plattform auszuschließen. Der Guardian berichtet, dass das gleiche deutsche Gesetz Reddit zwingen wird, Pornos zu entfernen, wenn das Unternehmen das Alter seiner Nutzer nicht verifiziert. Die Open Rights Group erklärte gegenüber der englischen Zeitschrift, dass das neue deutsche Gesetz die freie Meinungsäußerung und die Privatsphäre von Erwachsenen beeinträchtigt, angeblich um Kinder zu schützen. Deutschlands Sorge um Kinderaugen dreht sich dabei ausschließlich um Pornografie, denn das System zur Altersüberprüfung ist nur einer von vielen Versuchen, die Pornoindustrie zu vernichten.
Um zu erkennen, dass die deutschen Vorhaben heuchlerisch sind, muss man nur die Inhalte genauer betrachten, die in Deutschland für alle Altersgruppen weiterhin frei online angesehen werden dürfen. In Berlin soll man sich auf Twitter keinen mehr runterholen können, doch noch immer kann man Videos von sterbenden Menschen auf NSFL-Foren, extreme Gewalt, Pro-Anorexie-Inhalte auf Instagram und eine Vielzahl anderer fragwürdiger Inhalte sehen, die ausschließlich für ein erwachsenes Publikum gemacht sind – ganz zu schweigen von Facebook, wo es viel mehr Material über sexuellen Missbrauch von Kindern gibt als auf Pornoseiten. Nehmen wir an, deutsche Politiker sind besorgt darüber, was Kinder sehen. Warum kontrollieren sie die Ausweise der Leute, bevor sie sich Pornos ansehen, aber nicht, bevor sie Magersucht-Memes, Snuff-Filme oder UFC-Kämpfe konsumieren?
Wenn sie Kinder schützen wollen, müssen sie mehr als nur Pornos zensieren. Natürlich führt die Zensur jeglicher Inhalte zu Problemen. Schließlich sind für viele Menschen Schimpfwörter, politische Diskussionen und andere Themen für Minderjährige tabu. Wenn wir auf Social-Media-Plattformen einen Ausweis hochladen müssten, um etwas davon zu posten, müssten wir alle unser Alter nachweisen, um irgendetwas anderes als Sesamstraße im Internet zu konsumieren.
Das Hochladen eines Personalausweises oder anderer vertraulicher Dokumente auf Social-Media-Plattformen gibt auch Anlass zu zahlreichen Sorgen. Jeder, der schon einmal Ausweisdokumente online hochgeladen hat, weiß, dass Regierungen und Unternehmen bei der Bearbeitung dieser Dokumente schlechte Arbeit leisten. Es könnte Wochen dauern, bis man sein Alter verifiziert hat, bevor man also zu einem simplen Pornofilm masturbieren kann. Das wäre so, als würde man jedes Mal zur Zulassungsstelle gehen, wenn man sich einen runterholen will. Wir müssen Kinder schützen und gleichzeitig Erwachsenen die Möglichkeit geben, sich über Sex, Romantik und Politik frei zu unterhalten.
Schlimmere Befürchtungen scheinen nicht mehr unwahrscheinlich: Twitter, Facebook und andere Websites könnten unsere Ausweise und Dokumente in ihrer Cloud speichern. Es wäre dann nur eine Frage der Zeit, bis Hacker-Gruppen und Cyberkriminelle unsere Daten in die Hände bekommen. Wie können wir in der heutigen Zeit, in der die Zwei-Faktor-Authentifizierung keinen Schutz vor Hackerangriffen bietet, den Social-Media-Konzernen unsere privaten Daten anvertrauen?
Die Realität ist, dass nur sehr wenige Menschen bereit wären, ihr Alter online zu verifizieren. Somit würden viele Websites pornografische Inhalte verbieten, und das ist es, was Deutschland eigentlich will. Das Gesetz hat nichts mit dem Schutz von Kindern zu tun. Es geht darum, Pornostars zu zensieren und unsere Unternehmen in Bedrängnis zu bringen. Wenn Twitter uns alle rausschmeißen würde, hätten wir Schwierigkeiten, unsere Inhalte zu verbreiten. Viele von uns müssten ihre Jobs aufgeben oder würden unter finanziellen Druck geraten, weitaus unsichere Formen der Sexarbeit anzubieten. Bei der Altersüberprüfung geht es also im Effekt ausschließlich darum, Pornostars zu schaden. Wie üblich macht sich niemand wirklich Sorgen um das Wohl von Kindern.
Ich möchte, dass Minderjährige keine Pornos mehr sehen, aber staatliche Altersüberprüfungen sind keine Lösung. Die Wahrheit ist, dass Eltern ihren Job machen müssen. Eltern müssen leicht erhältliche Kindersicherungen installieren, den Medienkonsum ihrer Kinder überwachen und ihre Kinder wirklich erziehen. Es gibt Filter für Telefone und Computer. Die Eltern müssen also ihre Arbeit tun, damit Pornostars eben ihre Arbeit tun können: Inhalte für Erwachsene erstellen, die andere Erwachsene sehen können.
Hier der Link zum Originalartikel auf The Daily Beast.