Streamingplattformen retten Indie-Produktionen und Filmfestivals

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Mehrere Streamingplattformen der Pornobranche bieten verzweifelten Filmemachern, Produzenten und Festivalleitern eine zweite Chance in den Unwägbarkeiten der Coronakrise. Die Plattform PinkLabel.tv zeigt die satirische Porno-Doku »Die traurigen Mädchen aus den Bergen«. Ein schräger, politisch unkorrekter Spaß, der sich mit allen anlegt, dabei Konzeptkunst und trotzdem ganz Porno ist. Auch Pornhub baut seine ambitionierte Filmschiene aus und könnte für das renommierte Oldenburg Film Festival zur alternativen Abspielstation werden.

Derzeit liest man in vielen überregionalen Medien die Frage: Rettet die Pornoindustrie die Filmbranche? Der Grund dafür ist, dass viele von Schließungen und Absagen betroffene Kulturveranstalter, Filmemacher und Produzenten Angebote von Pornostreamern erhalten, die ihre Infrastruktur und Reichweite anbieten, um zahllosen Projekten doch noch eine Chance zu geben. Zwar dürfte das Angebot von YouPorn an die Festivalleitung von Cannes eher ein Versuch gewesen zu sein, Schlagzeilen und weltweite Gratis-PR zu bekommen, doch andere Pornostreamer dienen sich tatsächlich Indie- und Kunstprojekten als Rettungsanker an.

PinkLabel.tv zeigt depressive Feministinnen in den Bergen

Der beim Berliner PornFilmFestival ausgezeichnete Film »Die traurigen Mädchen aus den Bergen« findet mit PinkLabel.tv eine Streamingplattform, so dass die feministische Porno-Dokusatire trotz der Corona bedingt abgesagten Kinovorstellungen ein Publikum finden kann.

Candy Flip und Theo Meow sind die Produzenten des witzigen Films, der die Geschichte von vier Frauen erzählt, die sich in eine Hütte in den Bergen zurückgezogen haben, um sich von der Welt abzuwenden. Ein Sprecher des Produktionsteams sagt: »Sie feiern ihre Traurigkeit als einen Akt des Widerstands gegen das Patriarchat und finanzieren ihre zurückgezogene Existenz mit selbstgemachten Pornos, die sie online verkaufen. Den Gewinn spenden sie kurdischen Frauen-Milizen, damit diese sich mit Waffen eindecken können. Gerade als alles gut zu laufen scheint, bedroht der Besuch zweier Gonzo-Reporter das fragile Gleichgewicht des feministischen Mini-Utopias.«

Zahlreiche Auszeichnungen – Doch Corona bedroht den Erfolg des Films

Der ungewöhnliche Film war nach der Auszeichnung auf Erfolgskurs. Doch Corona hätte den Produzenten nahezu alles zunichte gemacht. Candy Flip erzählt: »Wir hatten noch mehrere Vorführungen bei Festivals und in Kinos verabredet, doch dann kam COVID-19 und alles wurde abgesagt. Wir sind also froh, dass die Leute den Film jetzt zumindest online sehen können.«

Von der Kooperation mit PinkLabel verspricht sich das Produzententeam eine Menge. Flip sagt: »Es ist eine unsere liebsten Plattformen. Die machen es extrem leicht und komfortabel für unabhängige Filmemacher wie uns, die eigenen Filme einem breiten Publikum zu präsentieren.«

Auf PinkLabel.tv kann man den Film einzeln kaufen, für 48 Stunden leihen oder im Rahmen eines Monatsabos der Plattform gratis schauen. Weitere Informationen zum Film und einen Trailer finden Sie auf PinkLabel.tv. Weitere Informationen zum Pornfilmfestival Berlin finden Sie hier.

Pornhub will das deutsche Sundance retten

Bei Pornhub hingegen richtet man sein Auge gleich auf ein ganzes Festival. Der Streaming-Riese will dem deutschen Äquivalent zum Sundance-Festival, dem seit 26 Jahren stattfindenden Oldenburg Film Festival aus der Patsche helfen. Das für seine Independent-Programme berühmt gewordene Filmfestival sollte im September stattfinden und ist nun coronabedingt in Schwierigkeiten.

Zwar haben die Oldenburger ihr Festival anders als die großen Festivals in Berlin und München ihr Programm nicht vollends abgesagt, aber doch erheblich abgespeckt. Ein Großteil der Vorstellungen soll online gestreamt werden.

Ein verlockendes Angebot: Infrastruktur & Reichweite

Da somit ein großer Teil des Festivalprogramms wohl weitestgehend unbemerkt gestreamt werden würde, hat sich Pornhub überlegt, dem Festival unter die Arme zu greifen und die gewaltige Reichweite des Pornoportals in den Dienst der unabhängigen Filmkultur zu stellen.

Pornhubs VP Corey Price schreibt den Organisatoren in Oldenburg: »Wir bieten eine ganz andere Seherfahrung, die weitaus eindringlicher ist. [Eine Kooperation] würde auch unser Engagement zur Unterstützung der Kunst und Unterhaltung in allen Bereichen unterstreichen.«

Etwaigen Zweifeln der Festivalorganisatoren versucht Price mit harten Fakten zu begegnen: Pornhubs massive Infrastruktur ist jener YouTubes ebenbürtig, die Reichweite immens und weltweit.

Oldenburg liebäugelt mit dem Pornoportal

Zwar haben sich die Verantwortlichen in Oldenburg noch nicht final zu dem Angebot geäußert, haben aber schon durchblicken lassen, dass sie das Angebot prüfen werden. Festivalleiter Torsten Neumann zeigte sich im SPIEGEL-Interview vorsichtig interessiert und verwies auf eine vorherige Kooperation mit der MindGeek-Tochter Pornhub: »Es gab schon im letzten Jahr eine Zusammenarbeit. Wir haben damals einen Kurzfilm von Bella Thorne gezeigt, den Pornhub produziert hatte. Die haben eine eigene Reihe ins Leben gerufen, in der sie Konzeptkünstlern und Filmemachern die Möglichkeit geben, ungewöhnliche Projekte zu realisieren, die nicht zwingend pornografisch sind.«

Außerdem, so Neumann, hat Pornhub ja auch erst kürzlich mit dem Streaming-Angebot zum Dokumentarfilm Shakedown, der Geschichte des lesbisch geführten Stripclubs gleichen Namens, gezeigt, wie ernst es dem Portal mit dem Engagement im Kulturbereich ist. »Wir haben wenig Berührungsängste. Und Pornhub hat die Technik.«

Das klingt ganz so, als könnte Pornhub das Festival tatsächlich zu einem riesigen Coup überreden, der in der Kulturwelt große Wellen schlagen würde.

Die Webseite des Oldenburg Filmfestival finden Sie hier.

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