Virtual Reality: Pornografie in 3D

Die Pornoindustrie gilt als Technologietreiber. Sie hat Homevideo und WWW zum Erfolg verholfen. Die Branche könnte mitentscheiden, welches VR-System den Markt erobert

Bild VAN

Wollen wir wetten? Wenn von einem Tag auf den anderen sämtliche Pornoseiten im Internet gelöscht würden, gäbe es wenige Minuten später nur noch eine Website. Auf dieser würde folgende dringliche Forderung zu lesen sein: Gebt uns die Pornos zurück!“ Dieser Monolog stammt – sinngemäß wiedergegeben – aus der US-Comedyserie „Scrubs“. Er treibt auf die Spitze, was viele ahnen oder längst wissen: Ohne Pornografie wäre das Internet nie so erfolgreich und populär geworden, wie es heute ist.

Denn die Adaption neuer Technologien für die eigenen Zwecke ist der Branche nicht fremd. Wir alle kennen die Geschichte, dass sich das Heimvideosystem ohne die schlüpfrigen Filme niemals in diesem Ausmaß verbreitet hätte, wie wir es erlebt haben. Aber weder die Videokamera noch den Videorekorder hat die Pornoindustrie so schnell und so gründlich für sich genutzt wie das Internet.

7,7 Prozent aller Klicks

Die meisten der frühen Internetdienste wurden zum Austausch pornografischer Inhalte geschaffen bzw. genutzt. Das hat schließlich dazu beigetragen, dass später das World Wide Web (und nicht das Internet, um präzise zu sein) schneller wurde, sprich mehr Bandbreite erhielt.

Auch wenn es keine verlässlichen Zahlen darüber gibt, wie viele einschlägige Websites tatsächlich existieren, so steht fest, dass pornografische Inhalte für einen großen Teil der Datenmenge im Netz verantwortlich sind.

Rund 30 Prozent des gesamten Datenverkehrs sollen es sein. Das lässt sich mit nackten Zahlen untermauern. Sie stammen vom Londoner Marktforschungsunternehmen Similar Web. So haben allein bei einem der größten Anbieter – Pornhub aus Kanada – die Nutzer im vergangenen Jahr rund 4,4 Milliarden Stunden verbracht und dort fast 88 Milliarden Filme angeklickt. Im statistischen Mittel sind das rund zwölf pro Erdenbewohner. Pornhub gilt als weltweit drittgrößter Anbieter mit 458 Millionen Nutzern im Monat. An der Spitze steht XVideos mit 640 Mio. Besuchern, gefolgt von XHamster mit 533 Millionen. Weltweit landen 7,7 Prozent aller Klicks auf Pornoseiten, in den USA sind es 8,3 Prozent.

Jede Menge Verkehr

Was die Pornoindustrie für das WWW getan hat, scheint nun auch für die nächste Sau, die durch das digitale Dorf getrieben wird, zu gelten: Virtual Reality. Es ist der Tech-Trend der vergangenen Monate. Vor kurzem ist ein VR-System für Sonys Playstation erschienen, HTC bietet eine VR-Brille an, Samsung, Google und natürlich der Veteran Oculus, der 2014 von Facebook gekauft wurde.

„Nachdem der vermeintlich große Durchbruch der VR-Brillen in den vergangenen Jahrzehnten schon zweimal gefeiert wurde, wächst die Nachfrage jetzt rapide“, sagt Klaus Böhm von der Beratungsgesellschaft Deloitte. Der Markt für virtuelle Realität soll noch heuer um mehr als das Vierfache auf ein Volumen von rund drei Milliarden Euro wachsen.

Auch dank der Pornoindustrie, die in ihrer Rolle als größter Technologietreiber überhaupt vitales Interesse an einer Technik hat, mit der Nutzer Inhalte nicht mehr nur konsumieren, sondern erleben können. Sie wird vermutlich auch entscheiden, welches VR-System sich letztendlich durchsetzen wird. Stichwort: 360-Grad-Pornovideos, die ein täuschend echtes Erotikerlebnis in 3D mit sich bringen. So zumindest die Verheißung.

Aus Ich-Perspektive

In der (virtuellen) Realität sieht es dann aber doch ein bisschen anders aus, wie Nutzer berichten. In einigen Clips wirke der vermeintlich eigene Körper so passiv, dass man ihn für eine Puppe oder eine Leiche hält, heißt es. Denn eine Interaktion ist auch mit VR-Brille nicht möglich, der Ablauf wird von den Filmemachern vorgegeben – von der Frau bis zum „eigenen“ Penis.

Denn die meisten VR-Pornos sind zum einen aus der Ich-Perspektive gefilmt und zum anderen aus der Sicht des Mannes, der mit einer oder mehreren Frauen oder Männern Sex hat. Für die Schauspieler soll es ungewohnt sein, weil die Frau den dominanteren Part übernimmt und der Mann idealerweise möglichst wenig im Bild auftaucht.

Nach Prognosen von US-Analysten wird bei VR-Pornos bis 2025 ein Jahresumsatz von einer Milliarde Dollar (rund 900 Millionen Euro) erwartet. Auch wenn die Kosten für die Herstellung eines 360-Grad-Videos doppelt so hoch sind wie bei herkömmlichen Pornos, wie Dinorah Hernandez von der spanischen Produktionsfirma BaDoinkVR sagt. Das Unternehmen wird es verkraften.

Als größte VR-Pornoseite, gestartet im Juli 2015, konnte badoinkvr.com allein zwischen Jänner und Februar 2016 einen Traffic-Zuwachs von 695.000 auf rund 8,2 Millionen Visits verzeichnen. Das entspricht laut Similar Web einem Zuwachs von sagenhaften 1.083 Prozent. Im ersten Quartal kam die Seite auf rund 23,6 Millionen Visits, davon 93 Prozent von mobilen Endgeräten. Da ist eindeutig noch Luft nach oben.

QuelleMarkus Böhm, RONDO Digital

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