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Finanz-Dominas im Porträt: Der Aufstieg von iWantEmpire

Miss Harley
In der Washington Post ist ein hervorragender Artikel zum Findom-Phänomen erschienen. Jennifer Swann porträtiert drei Dominas, die Männern für ihre Clips ordentlich Geld abnehmen. Manchmal ohne dass die Männer etwas dafür bekommen. Inzwischen verkündet eines der Portale, über das die Dominas ihre Filme vertreiben und ihre Dienste bewerben, 50 Millionen Jahresgewinn zu erwirtschaften.

In einer pastellfarbenen Patisserie in Beverly Hills schlürft Mistress Harley einen Bellini, auf dem Himbeeren schwimmen, und scrollt sich durch ihre Überwachungsmonitore auf ihrem Android. »Ach schau, da ist Ben!«, sagt sie und tippt mit ihren magentafarbenen Fingernägeln auf den Schirm: »Er ist nackt.«

Sie spricht zu ihm über die App Nest, die normalerweise dafür genutzt wird, eine Wohnung oder ein Haustier zu überwachen. Mistress Harley befiehlt dem Mann, sich auf die Knie zu begeben und sich vor ihr zu verneigen. Er gehorcht. »Wie Sie sehen, habe ich ihn dazu gebracht, all seine Dinge zu verkaufen, sogar sein Bett, er muss also auf dem Boden schlafen«, erklärt Mistress Harley. »Er lebt in Sacramento. Ich habe mir schon überlegt ein Haus in Sacramento zu kaufen, in dem er wohnen und mir Miete zahlen kann.«

Mistress Harley — die wie viele in diesem Artikel ihren bürgerlichen Namen nicht nennen und dies mit Privatsphäre und Sicherheitsbedenken begründen – zwingt Ben nicht dazu etwas zu tun, was er nicht tun will. Er zahlt ihr ein wöchentliches Gehalt, um ihn tagsüber zu überwachen. Manchmal lacht sie ihn nachts hämisch aus über die Lautsprecher, die in seinem Schlafzimmer installiert sind. Zu anderer Gelegenheit fordert sie von ihm, dass er ausschließlich Mahlzeiten zu sich nimmt, die wie Hundefutter aussehen und ihr Fotos davon als Beweis zu schicken.

Auch wenn Ben einer der extremeren Kunden von Mistress Harley ist, ist er nur einer von Dutzenden von Männern, die sie dafür bezahlen, ihr Leben durcheinander zu bringen. Mistress Harley, die sich selbst als »Tech Domme« vermarktet, hat sich also auf eine spezielle Nische im Findom-Bereich spezialisiert. Dieser Nischenberuf hat verstärkt clevere, technik-affine Frauen angezogen, die Geld damit machen wollen, dass Männer sich dominieren lassen möchten – nicht körperlich, sondern da, wo es wirklich weh tut: in der Brieftasche.

Die Vereinbarungen unterscheiden sich teilweise stark. Einige Finanz-Dominas entwickeln Zahlpläne für ihre Kunden, bei denen ein fixes Monatsgehalt gezahlt wird. Andere Männer müssen den Dominas Geschenke kaufen und ihre Rechnungen bezahlen. Einige, wie Mistress Harley, würzen das ganze mit besonderen Elementen: viele Kunden geben den Dominas Zugang zu ihren E-Mails oder Social Media Profilen, damit diese dort Informationen gewinnen können, die sie zur Unterwerfung des Kunden benutzen können – oder auch damit sie den Kunden drohen können, die Accounts auf peinliche Weise zu nutzen, falls die Kunden sich weigern zu zahlen. Normalerweise kommt es bei all diesen Vereinbarungen nie zu körperlichem Kontakt.

Geschenke sind schon lange Teil der Beziehung zwischen Dominas und Kunden, aber das Internet hat Findom viel zugänglicher werden lassen.

»Ich glaube, es ist der ultimative Kontrollverlust«, sagt Finanz-Domina Bratty Nikki. »Viele Männer werden darüber beurteilt, wie erfolgreich sie sind, und das bestimmt zu einem großen Teil ihr Selbstbewusstsein. Wenn sie dann sagen: ‚Ich habe das alles verdient, und dafür habe ich gearbeitet, dann ist das ein Teil von mir, und ich bin bereit, das für Dich aufzugeben‘. Ich glaube, die genießen wirklich den Kontrollverlust.«

Bratty Nikkis Spezialität ist es, Filme zu machen, in denen sie ihre Zuschauer verbal erniedrigt. Die meisten ihrer Clips kosten zwischen $9,99 (ein Clip mit dem Titel ‚male trash‘ zum Beispiel) bis zu $100 (‚for the really stupid losers only!‘, ist einer der Titel). Da sie den Fetisch ‚Bratty Princesses‘ (dt. etwa ‚verzogene Prinzessin‘) bedient, finden sich in den bereits 1200 Clips nur selten Nacktheit. Sie produziert die Filme vor und bietet sie über ein Portal zum Kauf an. Diese Videos sind nicht nur eine Quelle für passives Einkommen, sie sind auch ein Marketing-Tool, um Kunden anzulocken, die freiwillig mehr Geld schicken, Reisekosten übernehmen und Kleidung und Geschenkkarten aus Amazon-Wunschlisten kaufen – alles das, so sagt sie, ist Teil von Findom.

»Bevor ich damit begonnen habe, stellte ich mir die typische Domina als eine Frau vor, die in einem Keller arbeitet, viel Leder trägt und eine Peitsche schwingt«, sagt Bratty Nikki, die früher als Stripperin in Scottsdale, Arizona gearbeitet hat, bevor sie mit ihrem Ehemann nach Los Angeles gezogen ist. »Ich finde diese Arbeit einfach sehr cool, weil ich das Gefühl habe, endlich meine Berufung gefunden zu haben.«

Durch das Strippen hat sie gelernt, wie man die Kontrolle behält und sich von den Männern nicht ausnutzen lässt. Sie hat diese Fähigkeiten für sich arbeiten lassen, als sie durch Freunde 2011 Finanz-Dominanz kennengelernt hat und ihr klar wurde, dass sie in weitaus weniger Zeit sehr viel mehr Geld verdienen könnte. Ihr Geschäft brummte, allerdings gingen ihr Clipseiten auf die Nerven, die einen Teil ihrer Einnahmen einbehielten und dafür minimalen Kundensupport boten.

2014 haben Bratty Nikki und ihr Ehemann Jay Philipps ihre eigene Fetisch-Webseite, iWantClips.com gegründet. Das Paar hat seitdem Spinoff-Seiten gegründet, die zusammengenommen als iwantempire.com bekannt geworden sind. Dort hosten sie Videos und verdienen Geld mit Inhalten, die von etwa 10.000 Finanz-Dominas und anderen Pornoproduzenten aus aller Welt hergestellt wurden.

Phillips sagt, dass das Unternehmen 50 Millionen Dollar Gewinn für das laufende Jahr anvisiert. Der beste Kunde, sagt er, habe allein im letzten Jahr 1,6 Millionen auf der Plattform ausgegeben, und die Darstellerin hat an einem einzigen Tag 121.000 Dollar verdient. Er und Bratty Nikki sagen, dass ihre Plattform jungen Frauen die Gelegenheit gegeben habe, sich selbst zu ihren eigenen Bedingungen einen Lebensunterhalt aufzubauen, ohne, dass sie sich vor irgendeinem Chef rechtfertigen müssen oder auch nur die Sicherheit ihrer vier Wände verlassen müssten.

Phillips erzählt, dass seine Schwester und seine alleinerziehende Mutter beide sexuelle belästigt worden sind, als sie aufwuchsen, und dass sie Schwierigkeiten hat, ihre Rechnungen in Restaurants zu bezahlen. Für ihn ist FinDom ein Ausweg aus diesem Kampf. »Dieses Geld wird nicht nur für Louboutins und Diamanten ausgegeben. Einige der Mädels berichten, dass sie auch den Lebensunterhalt ihrer Mutter zahlen oder ihren Eltern helfen.«

Breanna Sparks, eine Darstellerin, die in Las Vegas lebt, ist ebenfalls Finanz-Domina. Sie nutzt den Namen Princess Breanna auf iWantClips.com und sagt, dass sie in die Branche kam, als sie feststellte, dass die Männer, mit denen sie sich traf, ihr Geschenke kaufen wollten.

»Ich bin schnell über diese ganze Vorstellung hinweggekommen, dass es seltsam oder inakzeptabel wäre«, sagt sie. »Ich glaube, viele Frauen erleben das, und sie schämen sich dafür, als sei es eine Art Prostitution.« Die Scham aber ist beidseitig: »Es gibt ein großes Tabu darum, dass Männer Frauen etwas kaufen, und ich finde, dass das irgendwie albern ist. Insbesondere die Männer, die für mich Dinge kaufen, die lieben das.«

Die in New York lebende Goddess Venus sieht in Findom eine feministische Handlung. »Männer besitzen den gesamten Reichtum in der Welt. Wir sollten die abzocken«, meint sie. »Viele Frauen sehen das einfach als einen Job. Ich sehe das eher als Umverteilung von Vermögen.«

Phillips hatte Jahre lang Schwierigkeiten zu verstehen, was reizvoll daran sein könnte, finanziell beherrscht zu werden. Ironischerweise war dieser Zeitpunkt erst gekommen, als er und seine Frau durch ihre Webseite reich geworden sind, dass er endlich die Psychologie seiner Kunden zu verstehen begann. »Ich begann länger zu arbeiten, verdiente mehr Geld, und die Beziehungen um mich herum veränderten sich«, sagt er.

»Man weiß nicht, ob einen die eigenen Freunde ausnutzen, weil man Geld hat«, fügt Bratty Nikki hinzu. »Eine Domina sagt aber, ‚Ich werde Dich ausnutzen, und Du wirst das mögen.‘ Da ist eine Ehrlichkeit, die es in normalen zwischenmenschlichen Interaktionen nicht gibt.«

Dieses Arrangement ist nichts Neues für Michael Schaffer, einer der Kunden von Mistress Harley, oder wie sie es nennt, einer ihrer ‚Sklaven‘. Er erzählt, dass er Finanz-Dominas seit seinem 18. Lebensjahr vor 20 Jahren gesucht hat. Schaeffer lebt in Rochester, N.Y. und hat das letzte Jahrzehnt damit verbracht, ein Haus für geistig-behinderte Erwachsene zu leiten. Er sagt, er habe eine rechtlich bindende Vereinbarung unterschrieben, Mistress Harley über 10 Jahre hinweg 15.000 Dollar plus Zinsen zu zahlen, die Raten sind jeweils am 5. eines Monats fällig. Das beschreibt nahezu den gesamten Umfang der Interaktion zwischen den beiden, sagt er, und wenn er mit ihr telefonieren will, muss er das zusätzlich bezahlen. (»Ich rede über alles für 5 Dollar die Minute«, sagt Mistress Harley, eine ehemalige Bibliothekarin und technische Projektmanagerin mit einem Master-Abschluss in Bibliothekswissenschaft von der San Jose State University. »Star Trek mag ich am liebsten.«)

Für Schaeffer ist der rechtliche bindende Vertrag eine Belohnung für sich. »Da ist etwas dran, das mich besonders anzieht, dieses Niedergeschriebene, ‚Das sind die Erwartungen, das wirst Du erfüllen müssen’«, erzählt er. »Mein Ziel ist es, dass sie glücklich ist, und ich will unsere finanzielle Vereinbarung in keiner Weise als Ausgleich für eine ansonsten empfundene Last für sie verstanden wissen.«

Die Vereinbarung erlaubt ihm, eine Rolle zu spielen, eine Rolle, die er in seinem Privatleben nicht immer einnehmen kann: die eines Unterwürfigen. »Grundsätzlich sind Frauen eher an Männern interessiert, die selbstbewusst sind, aggressiver«, so Schaeffer. »In einer normalen romantischen Beziehung gibt es eine Erwartung, die ich nicht wirklich erfüllen kann, und die ich auch nicht erfüllen will.«

Ein anderer Kunde von Mistress Harley will von ihr, dass sie ihn zwingt, ein Leben als Frau zu leben – sie hat sich einverstanden erklärt, ihn vor seiner Mutter, seiner Freundin und seinem Chef zu outen, wenn wer sich nicht völlig daran hält. Er überlegt es sich meist anders und zahlt ihr lieber 5.000 bis 10.000 Dollar, um der Vereinbarung zu entkommen – »sein Thrill liegt wohl darin, hohe Geldsummen zahlen zu müssen, um aus eine Vereinbarung herauszukommen, die er selbst erbeten hat«, glaubt sie. Und dann kommt er wieder und bittet darum, die Vereinbarung erneut zu schließen.

Mistress Harley, die Findom 2014 durch die BDSM-Szene in San Francisco kennengelernt hat, sagt, dass dieses Vorgehen vollkommen legal sei, weil es auf beiderseitigem Einvernehmen beruht. »Die meisten dieser Situationen sind vorher ausgehandelt und vorher besprochen«, sagt sie.

Der Beruf hat aber auch Nachteile. Mistress Harley sagt, dass ihr Paypal-Account geschlossen wurde, weil die Geschäftsbedingungen »gewisse sexuell orientierte Materialien und Dienstleistungen« untersagen – sie streitet jedweden Verstoß gegen diese Regel ab. (Ein Sprecher von Paypal sagt, dass er das Thema nicht weiter kommentieren könne, ohne in ihre Account-Informationen zu gehen).

Da Findom so stigmatisiert ist, sagt Goddess Venus, ist es nicht ungewöhnlich, dass man Familie und Freunde deshalb verliert. Der Job hat sie auch misstrauischer gegenüber Männern gemacht, mit denen sie sich privat zu Dates trifft, da sie sich fragt, ob diese nicht anderswo für Lust Geld bezahlen. »Ich hoffe einfach, dass ich keine Beziehung mit jemandem eingehe, der diesen Riesenteil seines Seins vor mir verstecken muss«, sagt sie.

Dann gibt es noch Kunden, die ihre Finanz-Dominas als Therapeuten nutzen. Mistress Harley und Goddess Venus berichten beide, dass sie Kunden nicht mehr angenommen haben, bei denen sie merkten, dass sie mental instabil waren und dass sie ihnen stattdessen geraten haben, sich professionelle Hilfe zu suchen.

Darüber hinaus, sagt Goddess Venus, habe ihr Beruf ihr auch gelehrt, ihre Zeit bei nicht mit der Arbeit verbundenen Beziehungen besser wertzuschätzen. »Wenn irgendein Typ mir sein Leid klagen will, dann muss er dafür zahlen. Das hat sich in meinem persönlichen Leben geändert«, erzählt sie. »Inzwischen bleibe ich nicht mehr in Situationen, in denen ich nicht sein will. Ich meine, ich verdiene damit Geld. Warum sollte ich mir das kostenlos antun?«

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