
Die Porno-Branche setzt auf Filme in der virtuellen Realität und vernetzte Sexspielzeuge. Doch was bringt das wirklich? Ein Realitätscheck auf der Venus.
Ich drücke auf den in der Armlehne eingelassenen Knopf und wenige Sekunden später räkelt sich eine Brünette in extrem knappen Hotpants vor mir. Eigentlich sollte sie Hausaufgaben machen, doch das interessiert sie nicht, sagt sie. Sie wackelt mit ihrem Hintern vor mir, beugt sich über mich, ich höre ihre Stimme ganz nah an meinem Ohr.
Ihr Shirt fällt raschelnd neben mir aufs Sofa. Mein Blick gleitet an meinem Körper herab, die Virtual-Reality-Brille Oculus Rift auf meinem Gesicht zieht nach unten. Ich sehe einen Waschbrettbauch. Etwas tiefer blitzt ein harter Penis aus meiner Jeans. Die Illusion stürzt in sich zusammen.
Ich bin auf der Erotikmesse «Venus» in Berlin, es riecht nach Gummi-Toys, süssem Deo und dem Asia-Stand in Halle 18. Bevor ich den roten, würfelförmigen Kasten mit der Klapptür und der Kleenex-Box neben dem Sessel betrete, informiert mich ihr Besitzer entschuldigend, dass ich für die Dauer der Vorstellung leider Sex aus der Ich-Perspektive eines Mannes erleben werde, weibliche Avatare sind noch nicht verfügbar.
In der virtuellen Realität kann alles erschaffen werden, was der Nutzer sich wünscht. Aber manchmal sind die Hürden keine technischen.
Die Zukunft kommt zu früh
Virtual Reality (VR) ist der grosse Tech-Trend der vergangenen Monate, gerade ist ein VR-System für die Playstation 4 erschienen. Die Pornobranche gilt als grösster Technologietreiber überhaupt und es liegt auf der Hand, dass sie grosses Interesse an einer Technik hat, mit der Nutzer Inhalte nicht mehr nur konsumieren, sondern erleben können. Virtual Reality verspricht ein Erotikerlebnis auf Knopfdruck, das sich täuschend echt anfühlt. Genau danach gieren Nutzer auf der ganzen Welt.
Unbestreitbar die Zukunft
Auf der Venus prallt dieses Versprechen auf die Branchenrealität. Die finanziell schlagkräftigen Firmen haben keine Berührungsängste, wenn es darum geht, die Trends der Digitalisierung so schnell wie möglich in ihre Angebotspalette zu nehmen: Man findet vernetzte Vibratoren mit App-Steuerung genau wie 360-Grad-Pornovideos für VR-Brillen.
Trotzdem rufen gerade die als VR inszenierten Anwendungen noch nicht den nötigen Wow-Effekt hervor, den ein Kassenschlager wohl brauchen würde. Das Bild ist pixelig und in den 360-Grad-Videos ist keine Interaktion mit der Umwelt möglich. Alles bewegt sich nur wie von den Filmemachern vorgegeben, von der Frau bis zum vorgeblich eigenen Penis.
Die Präsenz der Technik auf der «Venus» zeigt dennoch, für wie gross man ihr Potenzial hält: Virtual Reality ist unbestreitbar die Zukunft, sagt Jan Brockmann von Cam4. Nutzer können sich auf der Plattform in Erotik-Livestreams einwählen. Wer jetzt noch skeptisch ist, ist das nur, weil er sagt, die Technik ist noch nicht weit genug. Bei Cam4 probiert man sie jetzt schon aus.
Macht Porno Virtual Reality massentauglich?
Cam4 bietet 360-Grad-Streams an, die Nutzer mit einer entsprechenden Brille live ansehen können. 15 beliebten Darstellern weltweit habe man die entsprechenden Kameras kostenlos zur Verfügung gestellt, ein bis zwei Prozent der Nutzer machen schon Gebrauch vom neuen Angebot. Es sind die besonders zahlungskräftigen und spendablen, sagt Brockmann. Die Wale, wie sie im Fachjargon heissen.
Die Breitenwirkung der Pornobranche wird helfen, das abstrakte Konzept von VR mit seiner extrem teuren Hardware an den Mann zu bringen, glaubt auch Jakob Zimmerer von VR Pleasure aus Regensburg. Er hat die rote Pornokabine mitgebracht. Solche Anwendungen werden VR massenkompatibel machen, sagt er.
Zimmerer bietet Firmenkunden, Pornokinos zum Beispiel, eine Art Rundum-Sorglos-Paket für VR-Filme an. Über Zimmerer können sie die Hardware einkaufen, er übernimmt die Installation und stellt lizenzierte Filme bereit. Das Interesse an VR Pleasure auf der Messe sei riesig, sagt er, grosse Firmen seien an einer Zusammenarbeit interessiert. Unsere Kunden wollen eine einfache Bedienung, da sind keine Tüftler dabei wie in der Spieleszene.
Was ist Virtual Reality?
Zimmerer sieht sich als VR-Enthusiast, nicht als Porno-Unternehmer. Wir kommen nicht aus dem Erotikbereich, wir sind Nerds», sagt er. Er träumt von neuen Lernmöglichkeiten und einer Demokratisierung der Bildung durch VR.
Dennoch ist er auf der Venus gelandet, hinter ihm flimmert einer der Filme über einen Flatscreen. Sex sells, in diesem Fall VR. Ja, er zeige Erotikfilme, aber nicht einen Dreck wie auf YouPorn und Pornhub. Da wollen die Leute immer härteres Zeug sehen, sagt er. Warum sollte das bei VR-Filmen anders sein? Zimmerer ist Idealist. Die Verantwortung, welche Inhalte wir entwickeln, gab es schon immer. Mit lebensechten Inhalten in VR wird sie noch grösser, sagt er.
Vernetzte Vibratoren als Verkaufsschlager
Bei den vernetzten Sextoys sind die Hersteller weiter, hier gibt es schon Produkte, die tauglich sind für den Massenmarkt – und gezielt von Kunden nachgefragt werden, sagt Uta Barkow. Sie leitet eine Berliner Filiale des Erotikhändlers Beate Uhse. Per App lassen sich verschiedene Vibrationsmodi auf Vibratoren laden und das alte Konzept der Teledildonics, der Idee von Sex über Distanz per Gadget, lässt sich heute tatsächlich umsetzen.
Es werden immer mehr Fernbeziehungen geführt. Solche Paare interessieren sich besonders für Toys, die man per App fernsteuern kann, sagt Barkow. Wir müssen viel mobiler sein als früher, sind viel unterwegs, das spiegelt sich auch in der Sextoy-Branche wider», glaubt sie.
In der roten Videobox von VR Pleasure wird es in der Dunkelheit nach einer Weile stickig, auch wenn mein virtueller Penis noch durchhält. Ich ziehe die Brille aus, ein Mitarbeiter kommt herein. Vor der Box hat sich schon eine Schlange an Männern gebildet, die neugierig hereinlugen. Später auf der Messe spricht mich einer an, er will wissen, wie es mir gefallen hat. Er selbst, sagt er, war angetan. So richtig echt habe es sich aber noch nicht angefühlt.
Zusammengefasst: Auf der Erotikmesse «Venus» in Berlin zeigt sich, wie sehr die Pornobranche auf neue Entwicklungen in den Bereichen Virtual Reality und vernetzte Gadgets setzt. Das Versprechen vom perfekten digitalen Sexerlebnis kann sie aber noch nicht einlösen.
Quelle: Watson
Dass möchte ich mal sehen