
Wenn man für die Branchenzeitschrift der berühmten Sexmesse Venus schreibt, hat das so seine Vorteile. Dazu zählt ganz gewiss, dass man auf keiner Party je um interessante Anekdoten, schmutzige Kuriositäten oder schlüpfrige Fakten verlegen ist. Der Nachteil ist natürlich: dieses Wissen ist relativ nutzlos. Es sei denn, man arbeitet in der Erotikbranche. Was Sie, lieber Leser, sicherlich tun. Denn warum sollten Sie sonst ÜBER Pornografie und Sextoys lesen, statt sich wie alle anderen Pornos anzusehen und dabei einen SONA oder ein Fleshlight zum Einsatz zu bringen? Diese neue Reihe ist also für Sie: die Venus Enzyklopädie seltsamer Sexspielarten. Die erste Folge dreht sich um Luftsex.
Wie bitte? Was bitte? Bin ich high auf irgendwelchen von Findom-Dominas verabreichten Poppers? Nix da. Luftsex gibt es wirklich. Und wie bei allen heiligen wie unheiligen Dingen gilt auch bei Luftsex: wenn eine Sache existiert, finden Menschen einen Weg, darin Wettbewerbe zu veranstalten. Irgendwer will immer besser, phantastischer, überragender sein als alle anderen. Deshalb sollte es niemanden überraschen, dass es nicht nur Luftsex an sich, sondern obendrein auch Weltmeisterschaften im Luftsex gibt.
Aber eins nach dem anderen. Was ist Luftsex? Nun, Sie kennen sicherlich Luftgitarre, oder? Der lustige, alkoholgeschwängerte Kneipensport, bei dem irgendein Geek so tut, als würde er auf einer nicht vorhandenen Gitarre den Rock- oder Popsong spielen, der gerade aus den Boxen dröhnt. Nun stellen Sie sich vor, dass Sie nicht so tun, als würden Sie Gitarre spielen, sondern dass sie mit einem unsichtbaren Partner Sex haben. Der Part der nicht-existierenden Gitarre wird also von einem nicht-existierenden Partner übernommen. Es versteht sich von selbst, dass die ganze Geschichte relativ amüsant anzusehen ist. Wenn die Luftsex praktizierende Person allerdings recht begabt ist und ihre Sache ernst nimmt, kann das ganze sogar erregend werden.
Nun aber zurück zu den Weltmeisterschaften in Luftsex. Seinen Anfang nahm die Sache natürlich als Scherz. Und für manche ist es das immer noch. Comedian Chris Trew ist vermutlich der Erfinder – zumindest hat er die Weltmeisterschaften im Luftsex aus der Taufe gehoben. Das Ereignis findet in den USA statt und heißt dort »Air Sex World Championship«. Es ist eine tourende Show, die in zahlreichen Städten der USA Halt macht. Alle zwei Monate aber sieht der Tourneeplan einen Halt in Austin, Texas, vor, der Hochburg des Luftsex. Die Weltmeisterschaften im Luftsex sind zwar ausnehmend witzig, aber kein reiner Scherz. Das liegt auch daran, dass Trew es geschafft hat, veritable Stars in die Jury seiner Wettbewerbe zu holen. Zu den Juroren zählen Pornostar Kayden Kross und Hollywoodschauspieler David Arquette. Die ganze Veranstaltung ist stets heiter und sex-positiv. Seinen Ursprung hat Luftsex der Legende nach am Valentinstag 2007, als Chris Trew mit Freunden Luftgitarrenspieler parodierte.
Es gibt nur wenige Regeln, an die sich aber alle sogenannten Luftsexuellen halten, die an den Meisterschaften teilnehmen wollen. 1. Sex ist immer nur mit einem unsichtbaren Partner erlaubt. 2. Echte Orgasmen sind verboten. (Orgasmen zu faken hingegen ist bei diesem Wettbewerb explizit erwünscht.) 3. Luftsex hat mit Musik stattzufinden. 4. Vollständige Nacktheit ist untersagt. Ansonsten aber sind der Kreativität der Luftsexuellen keinerlei Grenzen gesetzt. Die Shows bestehen daher wirklich nicht einfach nur aus trockenem Hin- und Hergewippe. Die Kreativität zeigt sich auch bei den Künstlernamen, so gehören Red Hot Chili Pussy oder auch Fucktastic zu den Größen des eigenwilligen Genres.
Es gibt auch eine Doku über diese alles in allem doch recht interessante und vergnügliche Nische menschlichen Sexualverhaltens. Der Film heißt »Air Sex: Der Film« und ist von 2015. Regisseur und Kamercrew sind der tourenden Weltmeisterschaft hinterher gereist und erzählen von der wunderbar wahnsinnigen und luftig-lüsternen Welt des Chris Trew.
https://www.youtube.com/watch?v=DmQAy_psbPI