
Ab Mittwoch ist es wieder soweit. Wir haben mit einer der Programm-Verantwortlichen, der Journalistin Manuela Kay, über die diesjährigen Themenschwerpunkte gesprochen.
Herzlichen Glückwunsch zu über einem Jahrzehnt Pornfilmfestival Berlin! Es scheint, als hätte sich das Underground-Event inzwischen etabliert?
Danke! Tatsächlich waren durch das Wort „Porno“ im Titel die Berührungsängste anfangs sehr groß und wir hatten entsprechend wenig Besucher. Seit etwa fünf Jahren erleben wir aber jedes Jahr einen neuen Zuschauerrekord, zuletzt mit über 7000 verkauften Tickets. Das Moviemento mit seinen drei Sälen platzt inzwischen wirklich aus allen Nähten, wir müssen die Leute schon stapeln (lacht). Außerdem werden immer mehr Filme eingereicht, vor allem Kurzfilme.
Pornografie ist inzwischen Mainstream – zumindest in Form von jederzeit frei zugänglichen Amateurvideos im Netz. Was ist so reizvoll daran, einen Porno mit einer großen Menschenmenge in einem Kinosaal zu gucken?
Das hat eine lange Tradition, denn bevor es Home-Entertainment gab, wurden Pornos nur im Kino konsumiert. Damals ging es aber um die Befriedigung vor Ort. Bei unserem Festival dagegen liegt der Reiz darin, zu erleben, wie der Film auf sich selbst und andere wirkt – und dann geht das Licht an und wir diskutieren mit dem Regisseur über Kunst. Das und die Mischung des Publikums – in einem schwulen Film etwa trifft man immer auch Lesben und Heterosexuelle an – machen das Festival besonders.
Sowohl das Publikum als auch die Filmemacher sind sehr international.
Die meisten Einreichungen kommen aus den USA, Frankreich, Italien und Australien. Da wir ein Low-Budget-Festival sind, müssen die Filmemacher auf eigene Kosten anreisen, und dass sie dafür so große Wege auf sich nehmen, ist wirklich großartig. Sie verbinden das dann damit, hier zu arbeiten, denn das Festival hat sich zu einem Vermittlung- und Ideenpool entwickelt. Wir zeigen inzwischen viele Filme von Leuten, die sich bei uns kennengelernt haben. Im Kurzfilmprogramm „Berlin Shorts“ zum Beispiel.
Ist Berlin die Sex-Hauptstadt Europas?
Ich denke ja. Als gebürtige Berlinerin müsste mein Leben dann zwar eigentlich etwas aufregender sein (lacht). Aber der Umgang mit Sexualität ist hier auf jeden Fall offener und entspannter.

Foto:
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Auch wenn man sich für das Thema interessiert, aber mit expliziten Sexszenen auf großer Leinwand nichts anfangen kann, bietet das Festival ein spannendes Programm – vor allem durch die vielen Dokumentarfilme. Welche sollte man nicht verpassen?
Ein echter Knüller ist ein damals illegal gedrehter Film von 1994, den wir durch ein befreundetes Festival wiederentdeckt haben: „Maldita sea tu nombre, Libertad“ („Verflucht sei dein Name, Freiheit“). Darin geht es um junge Menschen auf Kuba, die gerne gefeiert und sich dann selbst bewusst mit HIV infiziert haben, um in Sanatorien zu landen, wo sie mehr Freiheit hatten, als in der restriktiven Gesellschaft ihres Landes – aber wo sie dann, weil es keine Medikamente gab, auch schnell gestorben sind. Wie sie darüber reflektieren, ob es richtig war, ihr Leben für zwei Jahre vermeintliche Selbstbestimmung wegzuwerfen, ist unglaublich bewegend.
Gibt es weitere Schwerpunkte?
Neben HIV spielt auch das vermeintliche Tabu Sex im Alter eine große Rolle. In „Desert Migration“ leben HIV-positive Rentner im Wüstenkaff Palm Springs zusammen. Und in „Sex and the Silver Gays“ verabreden sich ältere Schwule zu Sexpartys in New York. Sie sagen sich „Mein Körper ist zwar 70 Jahre alt, aber hey, auch ich habe noch Bedürfnisse“ – und lassen sich dabei filmen.
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