Amorelie im Porträt: Vom Startup bis zur Übernahme durch ProsiebenSat1

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Seit knapp drei Monaten ist das Berliner Unternehmen Amorelie fast vollständig im Besitz der Prosieben-Gruppe. Nur ein geringer Restanteil liegen noch bei den Gründern um Lea-Sophie Cramer. Wie konnte das Start-Up den Markt aufmischen und das Interesse des Münchener Mediengiganten auf sich ziehen?

Amorelie zählt längst zu den größten Erotikhändlern Europas: das Unternehmen hat 20.000 Produkte im Sortiment, über die Kooperation mit dem Drogeriediscounter DM ein Standbein im stationären Handel und eine starke Marktpräsenz in Deutschland, Österreich, Schweiz, Belgien und Frankreich.  Der Umsatz wuchs in den letzten Jahren rasant von €36 Millionen 2016 auf €56 Millionen 2017, und auch in diesem Jahr erwartet das Unternehmen zweistellige Zuwachsraten. Werbespots für Amorelie laufen über Tag im Fernsehen, und die aus dem untergegangen Medienimperium des Leo Kirch hervorgegangene Sendergruppe ProsiebenSat1 Media hat ihren Investitionsarm Nucom Group dazu genutzt, um die initial bei unter 25% liegenden Anteile an Amorelie auf 75% aufzustocken.

Das Unternehmen ging 2012 an den Start. Die Gründer von Amorelie sind Lea-Sophie Cramer, die zuvor bei Groupon tätig war, und Sebastian Pollock, der seine berufliche Erfahrung beim Wagniskapitalgeber BV Capital aus San Francisco gesammelt hat.

Die Strategie der beiden Gründer war von Anfang an, Amorelie als schickes Lifestyle-Label zu positionieren und jedwede Anlehnung an traditionelle Sexshops in den dunklen Ecken der Stadt zu vermeiden und also offensiv und mit hipper Ansprache die Öffentlichkeit zu suchen. So sagt Cramer sagt zu der Gründung: »Die Öffentlichkeit erregte sich damals noch über erotische Romane wie 50 Shades of Grey. Und ich dachte, wenn es möglich ist, im Zug offen erotische Romane zu lesen, warum sollte es nicht auch möglich sein, Sextoys zu verkaufen? Ich habe von Anfang an versucht, Amorelie als Lifestyle- und Modeunternehmen zu positionieren. So wurden wir für die Menschen leicht zugänglich, die Hürden, die manche potentiellen Kunden noch hatten, wurden niedriger.«

Während zahlreiche Hersteller den Weg in den Mainstream antraten, taten sich die traditionellen Händler wie Beate Uhse und Orion schwer mit der Digitalisierung und der zunehmenden Veränderung der Branche, hin zu Lifestyle und Branding.

Cramer schuf mit Amorelie aber auch eine makellose Einkaufserfahrung online, nur wenige Konkurrenten wie das deutsche Eis.de oder der kürzlich von der Familie Jacobs übernommene britische Händler Lovehoney konnten Kunden ähnlich überzeugen und ähnliche Wachstumskurven wie Amorelie verzeichnen.

Cramer erzählt: »Wir haben völlig aufs Digitale gesetzt, als die meisten anderen Unternehmen zögerten. Die Menschen wollten die Produkte rasch von zuhause aus bestellen, statt in irgendeinem seltsamen Laden in irgendeiner Seitenstraße am Bahnhof zu kaufen.«

Ein weiteres Erfolgsrezept war das Angebot von kuratierten Toy-Sets und Abo-Boxen. Vielfach wussten interessierte Kunden gar nicht, was es alles gab und konnten somit das vielseitige Angebot des Händlers gar nicht nutzen. Kennenlern-Boxen sind da ein guter Icebreaker. Cramer sagt: »Wir haben unseren Kunden gesagt, dass es egal ist, ob man weiß, was ein Penisring oder ein Prostatamassagestab ist; man kann einfach mit einer Angelegenheit zu uns kommen, und wir helfen bei der Lösung.«

Die erste Box dieser Art war eine Überraschungsbox für Paare, und das Set ist noch heute beliebt.  Die Boxen kosten zwischen 30 und 230 Euro und enthalten High-End-Marken wie Lelo, Tenga, We-Vibe und Womanizer, aber auch Eigenmarken, die das Unternehmen seit 2014 anbietet.  Inzwischen werden auch Themenboxen angeboten, so zum Beispiel ein Set für Frauen, die gerade entbunden haben und ihren Körper mit ihrem Partner neu entdecken wollen.

Zwar führt Cramer weiterhin die Geschäfte, doch nach der Übernahme durch Pro7Sat1 ist ihr Anteil an ihrem Unternehmen auf nur noch 2,2% gesunken. Ihr Mitgründer Sebastian Pollok hat Amorelie inzwischen verlassen.

Cramer glaubt, dass die neue Eigentümerstruktur Amorelie Vorteile verschafft. Traditionell war es auch in den letzten Jahren immer noch schwer für den Erotikhändler Werbung zu schalten. Immer noch begegnen Unternehmen der Branche große Vorbehalte im Mainstream. Durch einen Mediengiganten wie ProsiebenSat1 jedoch öffnen sich neue Türen – auch im digitalen Marketing.

Doch auch im Alleingang war Cramer bereits erfolgreich aktiv mit Fernsehwerbung, ein Novum in der Branche. Bereits 2013 schaltete Amorelie Werbespots bei RTL2, Viva und Sport1. Dazu sagt sie: »Für viele Unternehmen ist Fernsehwerbung zu teuer, doch für uns wurde es zum profitabelsten Marketingkanal.«

Zu der ProsiebenSat1-Gruppe gehören auch andere Onlinehändler und Digitalexperten wie die Partnervermittlungen ElitePartner und Parship, der Event-Marketing-Experte Jochen Schweizer und Kosmetikhändler wie Flaconi und Möbelhändler wie Moebel.de. Cramer hält Kooperationen mit diesen Schwesterunternehmen für denkbar.

Cramer ist von der Zukunft für Amorelie überzeugt und gibt sich selbstbewusst: »Noch vor fünf Jahren gab es Leute, die nichts mit mir zu tun haben wollten. Nun kommen die zu uns, um unsere ‚coolen Ideen‘ zu besprechen.« Und an Ideen scheint es der erfolgreichen Berlinerin nicht zu mangeln.

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