
Verena Dobnik berichtet für The Fresno Bee: »Eine immer kleiner werdende Zahl an Peep Shows, Strip Clubs und Pornoshops hat den inzwischen seit zwei Jahrzehnten andauernden juristischen Kampf der Stadt New York gegen die Erwachsenenunterhaltung überlebt. Die letzten Außenposten der Sexindustrie im Big Apple sind jedoch in arger Sorge über ihre Zukunft. Das liegt an einem kürzlich erfolgten Gerichtsbeschluss, der die Unternehmung zur Schließung zwingen könnte.
Im Juni hat ein New Yorker Gericht Regelungen aus dem Jahr 2001 wieder eingesetzt, die Unternehmen mit »Live-Darbietungen, deren Schwerpunkt auf anatomische Bereiche oder sexuelle Aktivitäten« oder auf dem Anbieten sexuell eindeutiger Videos liegt, aus allen Gebieten der Stadt, die nicht von der Stadt selbst dazu ausgewiesen wurden, vertreiben sollen.
Es ist nicht das erste Mal, das ein Gericht der Stadt in dieser Frage Recht gegeben hat, nur um kurze Zeit später von einem anderen Gericht überstimmt zu werden. Doch eine Anwältin der Sexshops gab in einer nicht erfolgreichen Petition an den U.S. Supreme Court an, dass ihre Klienten gezwungen wären, ihre Geschäfte zu schließen, wenn die Stadt nun mit der lang verzögerten Durchsetzung der Regel Fakten schaffen würde.
»New York hat eine lange Tradition als freiste und toleranteste Stadt des Landes, vielleicht sogar der Welt«, so Anwältin Erica Dubno. »Und leider wird das Recht auf freie Meinungsäußerung dieser kleinen Unternehmen in Gefahr gebracht.«
Mehrere Dutzend Unternehmen aus dem Erotikbereich klammern sich nun an den Versuch, ihre Geschäfte durch das durch die Verfassung garantierte Grundrecht auf freie Meinungsäußerung zu retten.
Derzeit scheint es jedoch keinen Grund zur Eile zu geben. Die Stadt will die Regel solange nicht durchsetzen, bis alle rechtlichen Fragen final geklärt sind. In einer Erklärung des New York City Law Department heißt es, dass man überzeugt sei, dass die Vorgehensweise der Stadt als »vernünftig und gesetzeskonform für den Schutz der Lebensqualität« gelten kann. Die umstrittene Regel sollte die »wild um sich greifende Umgehung der Regeln für die Gewerbegebiets-Aufteilung« beenden.
New Yorks inzwischen berühmt gewordenen Versuche, der in der Stadt einstmals boomenden Pornografie Herr zu werden, begannen Mitte der 90er Jahre, als die Stadt Regeln einführte, die es Unternehmen aus der Erwachsenenunterhaltung verbot, ihre Geschäfte in der Nähe von Kirchen, Schulen und in den meisten Einkaufs- und Wohngebieten zu betreiben. Die Regeln verursachten eine Schockwelle unter den über 170 betroffenen Unternehmen der Stadt, die der damalige Bürgermeister Rudy Guliani aus dem Stadtgebiet vertreiben wollte.
Times Square, an dem Pornoläden und Stripclubs zwischen den Theatern des Broadways bis in die 90er Jahre erfolgreich agierten und dessen Geschichte im Herbst von der neuen HBO-Serie The Deuce behandelt wird, hat heutzutage kaum noch Ähnlichkeit mit seiner einstigen Vielfalt.
Dennoch konnten sich einige Läden und Unternehmen halten, da sie Wege zur Umgehung der Regel fanden, dass ein Unternehmen als Sexshop galt, wenn es mehr als 40% seiner Ladenfläche erotischen Dienstleistungen oder Produkten widmete.
Einige Clubs teilten sich in zwei Clubs auf, bei denen Teile der Fläche für private Veranstaltungen vorgesehen waren. Ein Laden eröffnete in einem seiner Stockwerke ein Sushi-Restaurant. Porno-DVDs und Sex-Bücher lagen auf Stapeln von Büchern, die nichts mit Sex zu tun hatten und einfach nur Staub fingen. Andere machten es sich leichter, sie richteten einfach Garderoben ein, bauten Billardtische auf oder verkauften Kondome im jugendfreien Bereich ihrer Läden.
Die Stadt argumentierte, dass viele dieser Veränderungen einfach nur listige Alibi-Veranstaltungen seien.
2001 veränderte der damalige City Council die Regeln zur Gebietsaufteilung, um die Bedeutung des 60/40-Tests aufzuweichen. Diese und weitere Änderungen waren Teil des Gerichtsbeschlusses im Juni.
Dubno sagt, dass sie das Berufungsgericht des Bundesstaates angerufen hat, um die Entscheidung aus dem Juni zu revidieren.
Bei Mixed Emotions, einem kleinen, staubigen Laden ein paar Blocks nördlich von Times Square läuft das Geschäft derweil wie gewöhnlich weiter. Sexartikel und heiße Videos füllen die Wände und Gänge. Daneben gibt es hier immer noch Peep-Show-Kabinen, die meistenteils leer bleiben, seit die Onlinepornografie ihren Siegeszug feiert.
Draußen auf West 50th Street leuchtet das Neonzeichen des Ladens neben einem Boutique Hotel. Alles unweit des Gershwin Theatre, das Tag für Tag von Touristenströmen besucht wird, die eine Vorstellung von »Wicked« ansehen wollen.
Ein weiteres Widerstandsnest ist Show World Center, das 1975 eröffnet hat, und in seinen Glanzzeiten 100 Frauen für Live Shows beschäftigte. Der langjährige Besitzer von Show World, Richard Basciano ist im Mai im Alter von 92 Jahren gestorben. Die Live-Shows gibt es hier schon lange nicht mehr, aber der Laden verkauft weiterhin Sexbücher und andere Artikel.
»Ich habe ein nostalgisches Gefühl für das alte New York«, so Dubno, die beide Unternehmen vertritt. »Times Square ist inzwischen nur noch ein Ort von vielen, mit den immer gleichen Geschäften, und New York hat viel von dem verloren, was es einzigartig machte. Das war es, was Amerika großartig machte – dass die Menschen unterschiedliche Ansichten haben durften.«
Wenn das Berufungsgericht ihren Antrag ablehnt, wird Dubno versuchen, ihren Fall vor den Supreme Court der USA zu bringen, was immer ein äußerst unsicheres Unterfangen ist.
»Es ist der letzte Versuch«, so Dubno.