
Die Zensurwelle rast über den Globus. Das Nationalmuseum in Polen hat ein Videokunstwerk von 1975 aus der Ausstellung entfernt. In dem Werk von Natalia Lach-Lachowicz aßen mehrere Frauen auf provokative Weise eine Banane.
Nach der Verabschiedung der Urheberrechtsnovelle im EU-Parlament und der verpflichtenden Altersverifizierung in Großbritannien scheint auch in der Europäischen Union klar, dass die Zeichen für sexuelle Freiheit, Erotik im Mainstream und Pornografie jedweder Art auf Sturm stehen.
Selbst in der Kunst wird es offenbar prüder und übergriffiger. Das Nationalmuseum Polens hat unter der Leitung Jerzy Miziolek entschieden, dass Consumer Art, eine Videoinstallation der Künstlerin Natalia Lach-Lachowicz, aus der ständigen Ausstellung des Museums entfernt wird. Es berge das Potenzial junge, empfindsame Menschen zu irritieren.
Bananenessen für die Freiheit von Kunst und Sexualität
In dem 1975 geschaffenen Kunstwerk sind in einem knapp 16-minütigen Video mehrere Frauen dabei zu beobachten, wie sie auf sehr sinnliche, provokative Art eine Banane und andere phallisch aussehende Lebensmittel verspeisen. Die Assoziation zu Blowjobs ist natürlich von der Künstlerin bewusst gesetzt.
Kurioserweise ist das Video auf der Webseite des Museums weiterhin zu sehen, mit einem erklärenden Begleittext: »Ganz offensichtlich hat die scheinbar unschuldige Aktivität hier einen stark erotischen Einschlag. Die Kombination eines ‚kalten‘ Filmens mit einem ‚heißen‘ sinnlichen Motiv steht für die Zurückweisung des rein analytischen Charakters der konzeptionellen Kunst.« Eine unter Kunsthistorikern gewiss fragwürdige, allzu brave Interpretation, aber dennoch eine deutliche Einordnung, die das Kunstwerk vor dem eigenen übereifrigen Museumsleiter hätte bewahren müssen.
Polen auf dem Weg in die Bananen-Diktatur?
Das Museum reiht sich damit in eine internationale Zensurwelle ein und muss sich auch den peinlichen Vergleich mit dem Überwachungsbestreben des chinesischen Staates gefallen lassen. In China ist es verboten, im Netz Videos von Bananen essenden Frauen zu veröffentlichen.
Die 1937 geborene Künstlerin Natalia LL selbst hat sich offenbar noch nicht geäußert. Dennoch scheint sich Protest zu rühren. In den sozialen Medien veröffentlichen viele nun Bilder und Videos vom eigenen Bananenverspeisen.
Die polnische Künstlerin Sylwia Kowalczyk veröffentlichte auf Instagram eine bissige Replik und ruft zum kollektiven Bananenprotest auf. Dabei greift sie das Museum massiv an und nennt das Vorgehen beim Namen: Zensur.
Kowalczyk sagt im Interview mit CNN: »So etwas sollte keinem Künstler geschehen, ganz gleich ob Mann oder Frau. Natalia Lach-Lachowitz ist eine der Ikonen polnischer Gegenwartskunst und hat einen festen Platz in der Kunstgeschichte.«
Shitstorm mit Bananen
Die Fotografin Justyna Piechuta reiht sich in den Protest ein. Sie sagt: »Für mich sind Natalias Arbeiten ein Blick auf Feminismus, die Banane im Bild ist zudem ein Symbol für Freiheit.«
Selbst im polnischen Fernsehen formiert sich Kritik.
Kinga Rusin dziś na śniadanie ?#BananaGate #BananowyProtest pic.twitter.com/qRyrdwnsHq
— Paweł Buczkowski (@buczkowskipawel) April 28, 2019
Unter dem Schlagwort BananowyProtest finden sich auf Twitter und Instagram zahlreiche Fotos und Videos von öffentlichem Widerstand gegen die Entscheidung des Museums.
Auch vor dem Warschauer Museum selbst kam es bereits zu Protesten. Mehrere Demonstranten versammelten sich für ein Live-Bananenessen.
Bananen-Protest: 1.000 Künstler bei Demo und viele Posts #BananaGate #Banana https://t.co/3WoF5qLfwZ pic.twitter.com/mFDTAiS98e
— euronews Deutsch (@euronewsde) April 30, 2019
Museumsleitung gibt nach und spielt auf Zeit
Museumsleiter Miziolek geriet also unter Druck und bestritt vehement, externem Druck nachgegeben zu haben. Nun scheint er vorerst klein beizugeben. Die entsprechende Installation soll für eine Woche wiederkehren, dann aber käme es zu Renovierungsarbeiten. Es bleibt abzuwarten, ob das Kunstwerk nach der Renovierung ebenfalls präsent bleibt oder ob Miziolek auf Zeit spielt.
Ein peinlicher Vorgang gegen die Freiheit der Kunst – mitten in Europa.
Den vollständigen Film finden Sie hier.