
Seit letzter Woche hat einer der größten Märkte für Onlinepornografie keinen Zugang mehr zu über 800 Webseiten. Der nach Einwohnerzahl zweitgrößte Staat der Welt will seinen 1,3 Milliarden Bürgern den Zugang zu Pornos erschweren. Die Begründung für den Schritt ist haarsträubend.
Jio, der wichtigste Internetprovider Indiens hatte bereits den Zugang zu zahlreichen pornografischen Webseiten gesperrt, nachdem ein Gericht die indische Regierung im September dazu verpflichtet hat, gegen Onlinepornografie vorzugehen. Der Grund für das richterliche Einschreiten waren die in Indien immer noch häufig vorkommenden Gruppenvergewaltigungen von Frauen, ein Phänomen, das die Richter ursächlich mit dem Zugang zu Pornografie in Verbindung brachten.
Das Ausmaß der Sperrungen war längere Zeit unklar, spürbar war es aber sofort für die großen Tube-Seiten Pornhub, xHamster und ähnliche Anbieter, die naturgemäß erheblichen Traffic aus Indien verzeichnen bzw. einen Einbruch recht deutlich merken.

Laut der Zeitung The Financial Express hat das Gericht 857 Webseiten aufgeführt, die zu sperren sind. Die indische Regierung entfernte aber mehrere Seiten von der Sperrungsaufforderung, da sie keine pornografischen Inhalte aufwiesen. Insgesamt sollen nun 827 Webseiten betroffen sein. Das Verbot gilt für alle Provider in Indien, Berichten zufolge ist dem Verbot allerdings bisher nur Jio nachgekommen.
Der Grund für die unklare Nachrichtenlage ist auch, dass Jio selbst keine Erklärung zu dem Vorgang abgegeben hat. Es wird zwar davon ausgegangen, dass die anderen Provider des Landes dem Branchenführer folgen, aber auch von diesen Unternehmen gibt es keinen Kommentar über Pläne zur Umsetzung der gerichtlichen Anordnung.
Auf Reddit berichten zahlreiche Nutzer über ihre bisherigen Erlebnisse. Einer schreibt: »Ich habe versucht, mehrere Pornoseiten aufzurufen und gewartet, dass sie sich aufbauen, aber über das Netzwerk von Jio kann ich keine der Seiten erreiche. Geht das nur mir so, oder haben auch andere das Problem?«
Indien folgt mit diesem Vorgehen, wenn auch in eingeschränktem Ausmaß, seinem geografischen Nachbarn Nepal. Dort können die Einwohner seit Mitte Oktober auf 25.000 Seiten nicht mehr zugreifen, da die nepalesische Regierung Onlinepornografie verboten hat. Auch in Nepal werden Vergewaltigungen als Vorwand genutzt, um gegen Pornografie vorzugehen.
XBIZ weist darauf hin, dass die bei konservativen und reaktionären Politikern beliebte Argumentationslinie durch wissenschaftliche Studien nicht zu belegen ist. Zahlreiche Studien haben bereits belegt, dass kein Zusammenhang zwischen Vergewaltigungen und dem Konsum von Pornografie festzustellen ist. Im Gegenteil ist es sogar so, dass einige Studien den Verdacht nahelegen, dass der Zugang zu Pornografie zu einer Reduktion von Sexualstraftaten führt. Die Fachzeitschrift Psychology Today hat einen Beitrag veröffentlicht, in dem der Autor feststellt, dass während der Entstehung und Ausbreitung des Internets parallel zum erleichterten Zugang zu Pornografie die Anzahl der Sexualstraftaten in den USA im Zeitraum von 1995 bis 2009 um 44% gesunken ist.
Es ist also davon auszugehen, dass in Indien wie in Nepal die positiven Effekte der Pornografie vollkommen übergangen werden, um von den eigentlichen Problemen abzulenken, die von jeher mit der Unterdrückung des Auslebens einer freien Sexualität einhergehen.