
Das Europäische Parlament hat am Dienstag mit deutlicher Mehrheit für die Verabschiedung einer weithin umstrittenen Urheberrechtsreform gestimmt. Kritiker befürchten massive Einschränkungen des freien Internets. Rechteinhaber hoffen auf bessere Bezahlung. Die Folgen für die Erotikbranche sind schwer abzusehen. Verschwinden die einerseits disruptiven Tubeseiten?
Teil der Urheberrechtsreform, die das Europäische Parlament verabschiedet hat, ist ein sogenannter Uploadfilter, der Webseiten dafür verantwortlich macht, was Nutzer auf ihren Seiten hochladen. Bisher konnten sich Tubeseiten wie Pornhub und Redtube, aber auch große Mainstream-Anbieter wie YouTube bei etwaigen Urheberrechtsverletzungen darauf berufen, dass sie die Inhalte auf Anfrage sperren oder löschen, aber nicht beim Hochladen selbst erkennen können. Zu dieser Erkennung und damit zur Verhinderung von Urheberrechtsverletzungen soll die Urheberrechtsreform die Portale nun zwingen.
Was zunächst wie ein Segen für die wundgeschossenen Paid-Content-Anbieter aussieht, könnte sich als schadhaft für die Freiheit im Internet herausstellen und in letzter Konsequenz auch kleineren Inhalteproduzenten schaden, die große Abspielstationen mit globalem Traffic verlieren könnten. Längst haben sich nicht nur Youtuber und Instagrammer einträgliche Geschäftsmodelle erarbeitet, sondern auch Clipseiten- und Tubseiten-Uploader, die eigene Inhalte erstellen oder bewerben.
Folgen der Reform: Mehr Umsatz für Konzerne, Verlust der Netzkultur?
Kritiker der Urheberrechtsreform befürchten, dass von den neuen Regelungen letztlich nur große Medienkonzerne profitieren, die ihre Rechte nun besser durchsetzen, die Verbreitung ihrer Inhalte besser kontrollieren und somit teurer anbieten können. Manche bangen um die Meme-Kultur und Collagen, Parodien, Zitate und die Netzkultur, wie wir sie kennen.
Nicht nur YouTube hat im Vorfeld massiv gegen das Gesetzesvorhaben der EU mobil gemacht. In zahlreichen Städten waren insbesondere junge Fans von Youtubern auf den Straßen und demonstrierten gegen Uploadfilter und strengere Auslegung der Urheberrechte.
Mittel zur Zensur? Technische Machbarkeit?
Auch Prominente Vertreter und Fürsprecher eines freien Internets wie Edward Snowden und Cory Doctorow von der Electronic Frontier Foundation haben das Vorhaben scharf kritisert. Snowden meldete sich unmittelbar nach der Abstimmung im EU-Parlament per Twitter zu Wort: »Vergesst nie, was sie gemacht haben!«
Doctorow zweifelt zudem an der technischen Umsetzbarkeit. Er schrieb bereits vor einem Monat, dass »jedwede Online-Community oder Plattform, die drei oder mehr Jahre existiert oder mehr als 10 Millionen Euro pro Jahr umsetzt, verantwortlich dafür ist, dass kein Nutzer je irgendetwas hochlädt, das ein Urheberrecht verletzt, nicht mal kurzzeitig.« Er halte das technisch für unmöglich. Der einzige Weg wären automatische Uploadfilter, die notwendigerweise so streng gestaltet werden müssten, dass Zitate, Collagen und Verwendungen anderer Urheberrechte technisch verhindert würden. Eine unfreiwillige Zensur des Internets wäre die Folge.
Inwiefern die Kritiker recht behalten oder ob die warnenden Stimmen von Seiten der Tube-Betreiber sich bewahrheiten, müssen die nächsten Monate zeigen. Es bleibt abzuwarten, wie xHamster und die zum MindGeek-Konzern gehörenden Portale RedTube, YouPorn und PornHub auf den europäischen Sturmangriff auf ihr Geschäftsmodell reagieren werden.