Der Aufstieg der Transpornografie

Der global heute noch bedeutendste Pionier in der Transgender Pornografie ist »Grooby«, ein 20 Jahre altes Unternehmen mit Sitz in den USA. Doch die sex-positiven Darstellungen in Mainstreammedien wie Amazons Prestigeserie »Transparent« und die zunehmenden Debatten über Gender-Identitäten in westlichen Gesellschaften haben das einstmals marginalisierte und tabuisierte Genre für Mainstreamporno-Unternehmen interessant werden lassen. Ein Trend, der von den meisten Darstellern begrüßt wird. Für Grooby allerdings stellen sich ungeahnte Probleme.

Das Pornounternehmen Grooby ist einer der größten und beliebtesten Produzenten von Transgenderpornos weltweit. Es wurde 1996 von Steven Grooby gegründet, der immer noch Eigentümer des Unternehmens ist. Grooby nahm seinen Anfang mit der Webseite »Shemale Yum«. Der frühe Erfolg in der Nische erlaubte eine rasche Expansion. Webseiten wie »Shemale Pornstar«, »Ladyboy-Ladyboy«, »Black Shemale Hardcore« und Dutzende weitere folgten. Grooby florierte in der Nische, das Unternehmen war erfolgreich.

Doch mit der zunehmenden Aufmerksamkeit für Transgender-Inhalte im Allgemeinen und einer sensibleren Herangehensweise an Debatten um Gender-Identität geriet der ehemalige Vorreiter in Schwierigkeiten. Die Angebote des Unternehmens arbeiten noch immer mit stereotypen und teils als beleidigend aufgefassten Begriffen wie »Shemale« und »Tranny«, Worte die vor 20 Jahren weitläufig verbreitet waren, heuten jedoch bei Darstellern und Kunden wie auch in der LGBTQ-Gemeinschaft als herablassend und irreführend wahrgenommen werden.

Kristel Penn, Marketingchefin bei Grooby beschreibt das Dilemma des Unternehmens, wie folgt: »Von SEO her gedacht, sind Begriffe wie Shemale und Tranny einfach weitaus häufiger gesucht als andere Begriffe. Unser Produkt hat so jene erreicht, die danach suchten, ohne mit nicht-pornografischen Inhalten in den Suchmaschinen n Konkurrenz treten zu müssen.«

Transpornos sind immer noch nur ein winziger Bruchteil in der gigantischen Pornoindustrie, doch die Zuschauerzahlen für Transinhalte haben seit Groobys Frühzeit immens zugenommen. Und in den letzten fünf Jahren ist die Nachfrage rasant in die Höhe geschnellt. Laut Pornhub wurde allein das Stichwort »Transgender« in den letzten 3 Jahren um 300% häufiger abgefragt als zuvor.

Das Genre erlebt jedoch nicht nur einen Zuwachs an Beliebtheit. Es ist auch äußerst lukrativ. Adam Grayson vom Pornounternehmen Evil Empire geht soweit, Transpornos als das beliebteste Genre seines Unternehmens zu nennen: »Was den Umsatz pro Szene und Film angeht? Kein Vergleich und ohne Zweifel. Da reicht nichts sonst ran. Und wir verkaufen diese Inhalte zu Premiumpreisen … weil es geht.«

Leider aber ist Transpornografie voller Stereotypen und in aller Regel wenig repräsentativ für Transgender-Sexualität. Die Darsteller finden sich allzu oft der Willkür meist heterosexueller, mit Transsexualität unbewanderten Produzenten ausgesetzt. Das Hauptinteresse der Produzenten ist es natürlich, erfolgreiche Rezepte zu reproduzieren, die Würde der Darsteller und eine korrekte Repräsentation spielen da eine untergeordnete Rolle.

Tobi Hill-Meyer, Pornoregisseurin von Transpornos stimmt dem zu: »Es gab dieses zentralisierte Modell, in dem einige wenige Pornounternehmen Transgender-Darsteller buchten, und die waren alle von irgendeinem Typen geleitet, der allein entschied, wie die auszusehen haben. So wird dann irgendwann alles Schema F, da sie einmal etwas machen, das funktioniert und dann nichts anderes mehr wollen.«

Diese stereotypen Darstellungen funktionierten und generierten Umsatz, waren aber nicht sonderlich hilfreich dabei, Transgender-Inhalte in den Mainstream zu transportieren. Teil des Problems war, dass der Hauptteil des Umsatzes von Cisgender-Männern kommt und nicht von Transgender-Kunden. Es ist ein in der Branche weithin bekanntes, offenes Geheimnis, dass heterosexuelle Männer den Hauptteil des Publikums bei Transgenderpornos stellen.

Hill-Meyer erklärt: »Es gibt die grundsätzliche Regel, das Mainstreampornos immer auf Männer ausgerichtet sind.« Und Zuschauer mit Cis-Hintergrund haben viele falsche Vorstellungen über die Sexualität von Transgender-Personen. Sie wollen transsexuelle Frauen mit erigiertem Penis sehen, die ihre Partner penetrieren, während die allermeisten Transfrauen in ihrer Sexualität ihren Penis eigentlich außen vorlassen wollen. Viele Trans-Darsteller wollen sich den Penis entfernen lassen, wissen aber, dass ihr Einkommen davon abhängt, weiterhin einen Penis zu haben.

Ein weiteres Stereotyp in traditionellen Transpornos ist das Element der Überraschung. Dass einer der beiden Sexpartner über männliche Geschlechtsteile verfügt, wird meist während der Szene herausgefunden, oft reagiert der Partner dann zunächst schockiert. Und dann wird daraus ein scheinbar verbotenes Tabu, das Verbotene als reizvoller Spannungsbogen. Das Problem dabei ist, dass viele der gesellschaftlichen Vorurteile gegen Transgender-Menschen aus dem ängstlichen Vorurteil herrühren, dass sie ihre eigentliche Identität verstecken. Manchmal führt dies zu Wut und Aggression gegen Transgender-Menschen.

Und auch wenn Caitlin Jenner als globales Phänomen viele Türen aufstößt und Amazons Hitserie Transparent eine große Öffentlichkeit für das Thema sensibilisiert, sind Gewalttaten gegen Transgender-Personen nicht rückläufig. Tatsächlich wurde 2016 in den USA ein trauriger Rekord gebrochen. 27 Transgender-Personen wurden ermordet – so viele wie nie zuvor.

Venus Lux, die den AVN Award for Transgender Performer of the Year 2016 gewonnen hat und zu den aktivsten und bekanntesten Transdarstellern der Branche gehört, versucht die Pornoindustrie seit Jahren auf die Gefahren der stereotypischen Darstellung von Trans-Sex aufmerksam zu machen: »Die Menschen haben grundsätzlich wenig Wissen über Sexualität und Geschlechteridentitäten, da es wenig Aufklärung in dem Bereich gibt. Den meisten Menschen begegnen Transgender-Menschen eben nicht auf der Straße oder im Alltag, so dass es ein Gespräch geben könnte.«

Dana Vespoli, Darstellerin und Regisseurin bei TransSensual, betont, dass eine solche Aufklärungsarbeit nicht nur für heterosexuelle Männer und Frauen wichtig sei. Wenn man sich als Transgender zum ersten Mal mit dem Thema befasst, sind die Chancen sehr hoch, dass man zuallererst auf pornografische Darstellungen trifft. Vespoli sagt: »Ich denke vor allem an junge Menschen im Süden oder Mittleren Westen der USA, die feststellen, dass sie trans sind. Ich möchte, dass sie Darstellungen ihrer Identität finden, die nuanciert sind und sie in einem positiven Licht zeigen.«

Vespoli und Lux sind nur die Speerspitze einer größeren Veränderung bei der Wahrnehmung von Transgender-Menschen im Pornogeschäft. Ein wichtiger Schritt war die Einrichtung der »Tranny Awards« 2007 durch den ehemaligen Vorreiter Grooby. Penn erklärt: »Damals gab es bei den großen Awards-Shows kaum Transleute. Ursprünglich war der Wettbewerb als formloser Onlinewettbewerb gedacht.« Der Erfolg der Awards wurde jedoch so groß, dass sich schnell eine Award-Show um den Wettbewerb entwickelt. Heute ist die Preisverleihung in eine 3-tägige Messe eingebettet. Doch auch hier war Groobys Engagement ein doppelbödiges Glück. Das ausgerechnet im Titel der Awards das Wort »Tranny« prangte wurde harsch kritisiert. Nach vielen Protesten und dem Rückzug einiger Sponsoren entschloss sich Grooby zu einer Umbenennung der Veranstaltung. Sie heißt nun »Transgender Erotica Awards«.

Die Umfirmierung und Neuausrichtung an den gewandelten Zeitgeist wurde nun auch auf anderen von Grooby betriebenen Webseiten vollzogen. Selbst das ehemalige Flaggschiff »Shemale Yum«, eine wertvolle Marke in Groobys Transimperium, wurde einer kommerziell riskanten Umbenennung unterzogen. Sie heißt nun GroobyGirls.com. Penn führt aus: »Wir verstehen, dass die Begrifflichkeit für viele problematisch war und letztlich wollen wir den Darstellern und Fans entsprechen. Unser Ziel war es immer, unseren Darstellern mit Respekt zu begegnen. Die Seite ist seit 20 Jahren am Markt und ist unsere etablierteste Marke. Unsere restlichen Seiten und alle künftigen DVDs werden in den kommenden Monaten umbenannt.«

Während also einer der Pioniere in einer notwendigen, aber durchaus riskanten Umbruchphase steckt, springen auch Mainstream-Label und die Großen der Branche auf den fahrenden Zug auf. 2013 hat die Branchengröße AVN eine eigene Kategorie für Trans-Darsteller geschafften. Seitdem wird jährlich ein AVN-Award im Bereich Transsexual Performer of the Year vergeben. Dieser Schritt gab dem Trans-Segment immensen Rückenwind im Mainstream-Pornogeschäft.

Ein Teil der Veränderungen betrifft auch das Casting. Trans-Darsteller werden nun mit unterschiedlichen Partnern gebucht. Während die traditionelle Besetzung eines Transpornos so aussah, dass ein nichtsahnender Mann auf eine Transfrau traf, kommen nun verstärkt auch andere Geschlechteridentitäten zum Zug. Schließlich haben Transgender-Personen genauso viele sexuelle Orientierungen wie Cisgender-Menschen. Venus Lux begrüßt diesen Wandel: »Es stellt für viele Menschen einiges auf den Kopf, dass lesbische Pornos diesbezüglich Veränderungen unterzogen sind.«

Wicked Pictures hat kürzlich einen Film angekündigt, in dem Pornostar Jessica Drake in einer Viererszene mit drei Transpartnern zu sehen sein wird. Venus Lux, die eine der Trans-Darstellerinnen ist, sagt dazu: »Wir haben bei Wicked Pictures eine Ebene mit Trans-Darstellern erreicht, die in der 25-jährigen Firmengeschichte nie zuvor dagewesen ist.«

Das eines der größten Studios am Markt einen Star wie Jessica Drake in einen Transporno auftreten lässt, wurde auch durch den immensen Erfolg von Groobys Real Fucking Girls von 2016 möglich. Kristel Penn sagt: »Der Film hat bei allen drei großen Award-Veranstaltungen abgeräumt.«

Transfrauen sind aber natürlich nur eine Seite der Geschichte. Für Transmänner ist es noch weitaus schwieriger. Allerdings gibt es bereits einen großen Star in der Branche: Buck Angel, ein Transaktivist, der seit den frühen 2000ern in der Branche aktiv ist. Sein neuster Film Buck Angel Superstar ist fast ein waschechtes Biopic in Spielfilmqualität und mit riesigem Budget. Vespoli führte Regie und sagt: »Ich möchte noch viel mehr Darstellungen mit FTM-Darstellern drehen.«

Eine der größten Hürden für Transmänner war, dass niemand in der Branche wusste, wer das Zielpublikum sein könnte. Cyd St. Vincent hat dafür viele Experimente unternommen und eine Formel entwickelt, die für ihn und sein Unternehmen Bonus Hole Boys zu funktionieren scheint. »Manchmal muss man erst etwas sehen, bevor man es sich für sich selbst vorstellen kann – und wie könnte man das besser tun, als große schwule Pornostars mit Transmännern Sex haben zu lassen? Hunderte von Menschen haben mir geschrieben, dass sie nicht mal wussten, dass es Transmänner gibt und dass unsere Filme ihnen das zum ersten Mal vor Augen geführt haben!«

Der männliche Pornostar Viktor Belmont jedoch macht ganz andere Erfahrungen: »Ich bin ein schwuler Darsteller, aber meine Anhängerschaft besteht aus Frauen. Die Mehrheit unserer Fans sind schwule Männer, aber wir haben auch ein riesiges weibliches Publikum.«

Das wirft eine interessante Frage auf, deren Beantwortung sich viele Produktionsfirmen widmen, um neue Märkte für sich zu erschließen. Wenn Transmänner eine breite demografische Anziehung haben, wer könnte noch Interesse haben? Wer auch immer die Idee für das richtige Zielpublikum bekommt und eine funktionierende Formel entwickelt, Transmänner zu casten, dürfte eine Menge Geld damit verdienen.

Inzwischen hat sich eine große Szene unabhängiger Pornostudios gegründet. Dazu gehören Firmen wie Good Vibrations, Lust Cinema, The Crash Pad und Make Love Not Porn. Sie dienen als Bühnen für bahnbrechende, gender-verwischende und nicht-stereotype Pornos. Die Studios haben häufig unterschiedliche Hintergründe, manche kommen eher aus der queeren Bewegung, andere sind feministisch motiviert, und einige strahlen einfach einen klaren Indie-Vibe aus, der vermuten lässt, dass nach Bier, Burger und Gin auch Pornos eine Neuerfindung im Hipsterlook bevorsteht.  Alle diese Unternehmen haben aber gemeinsam, dass sie inklusiver vorgehen als traditionelle Pornostudios und daher für Transgender-Darsteller jedweder Identität Möglichkeiten bieten. Das Studio Pink & White bucht Darsteller mit unterschiedlichen Identitäten. Auch der erwähnte Buck Angel betreibt seit 2002 eine eigene Webseite, auf der auch andere Darsteller gezeigt werden.

Zu den jüngeren Start-ups gehört auch AORTA Films, ein unternehmen, das Darstellern die Möglichkeit und Freiheit gibt vor der Kamera die eigene Identität zu entdecken und auszuprobieren. Sexkünstler Alyx Fox hat Foxhouse Films gegründet, ein Studio, das »mehrgeschlechtliche und polysexuelle Darsteller« beschäftigt und sie ebenfalls ermuntert, Dinge vor der Kamera auszuprobieren. Es ist einfacher für uns, wenn wir mit den Wünschen der Darsteller arbeiten, mit dem, was sie tun wollen … Es muss etwas sein, was sie selbst erregt.«

Ein weiterer Beschäftigungsort für Transgender-Darsteller ist natürlich die boomende Webcam-Industrie. Dort können sie sich nach Belieben ausdrücken, ohne Beschränkungen, die eine Studioproduktion mit sich bringt. Das Transgender-Model Kelly Pierce beispielsweise sagt über ihre Webcam-Karriere: »Ich bin wirklich begeistert, dass ich meine Karriere endlich selbst steuern kann. Und dass ich ich selbst sein kann! … Meine Cam-Fans können mich regelmäßig sehen, während sie in einem Pornofilm lediglich eine Fantasie vorgesetzt bekommen, sie sehen einen da nicht als Person.«

All diese Entwicklungen laufen parallel zu einer schwierigen Zeit in der amerikanischen Geschichte. Niemand weiß, wie sich die Trump-Regierung letztlich gegenüber Pornografie und Sexarbeit verhalten wird. Einige Anzeichen jedoch stimmen die gesamte Branche nervös. Da ist zum einen die Berufung des ultrakonservativen Pornogegners Jeff Sessions als Justizminister und natürlich das Verbot von Transgender-Menschen im Militär. Alyx Fox allerdings konzentriert sich einstweilen lieber auf den positiven Makrotrend. »Was derzeit geschieht, ist, dass viele Menschen einen Bewusstseinswandel durchleben. Ich denke, dass die Menschen sexuelle Bedürfnisse haben werden, die fluider sind als bisher, dass auch die Identitäten fluider werden als früher.«

Und die Pornobranche produziert einstweilen Inhalte, die sich an die neuen und immer noch entstehenden Zielgruppen ausrichten. Was angefangen wurde und viel Fahrt gewonnen hat, wird nicht so einfach aufzuhalten sein. Möglicherweise also ist die konservative Reaktion in den USA also nur ein temporärer Rückschritt, der in ein paar Jahren beendet ist.

QuelleGlamour

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