
Vier Bielefelder betreiben seit mehr als zwei Jahren einen christlichen Online-Sexshop namens schönerlieben. Dabei verzichten sie auf explizite und pornografische Werbung jedweder Art. Ziel ist es, Sex »auch innerhalb christlicher Gemeinschaften zu einem offenen Gesprächsthema« zu machen. Bisher läuft das Unternehmen nebenbei, davon leben können die vier nicht.
Für viele Menschen gilt die Gleichung: Sex ist eine Ausdrucksform der Liebe. Für viele Christen gilt, der Glaube an Jesus ist eine Form Liebe. Und trotz dieser gleichlautenden Gleichung haben christliche Religion und Sexualität seit Jahrhunderten ein eher schwieriges Verhältnis zueinander. Wenn es nach dem Bielefelder Sexshop schönerlieben geht, soll das möglichst rasch anders werden.
Die Gründer des Shops sind Wellington Estevo, Timo Rahn sowie Gerhard und Jonathan Peters, allesamt christlich und in freikirchlichen Gemeinden aufgewachsen. In einem Interview gaben die vier an, dass ihnen die Idee zu ihrem Onlinesexshop eher zufällig kam. Die Mutter einer der vier Freunde arbeitete in der Buchhaltung eines Sexshops, und die vier wollten sich selbständig machen. Der Same für die ungewöhnliche Idee war gesät.
Dabei hatten die künftigen Sexunternehmer keine Erfahrung in der Branche. »Wir hatten überhaupt keine Ahnung von Sexspielzeugen«, erzählt Jonathan Peters. »Aber nach einigen Recherchen fanden wir die Idee immer besser.«
Das hatte gewiss auch damit zu tun, dass die Idee bisher in Deutschland einmalig ist. Noch heute betreiben sie den einzigen explizit christlichen Sexshop Deutschlands. Und auch anderswo in der Welt ist das Geschäftskonzept eher selten. In den USA soll ein ähnlicher Laden existieren, ein Geschäft in den Niederlanden hat mittlerweile wieder geschlossen.
Grundsätzlich finden sich bei schönerlieben dieselben Sextoys wie bei anderen Erotikhändlern. Der Unterschied liegt eher darin, worauf die vier verzichten. Keine pornografischen Darstellungen, keine expliziten Ansprachen, keine Sexpuppen oder Stroker im Stil von bekannten Pornodarstellerinnen und auch keine BDSM-Artikel. Masturbation ist nicht das Thema, auch wenn es mit vielen Sextoys im Angebot natürlich möglich ist.
Schwerpunkt von schönerlieben ist der Sex zu zweit. Daher fokussieren sich das Angebot auf Paarvibratoren, Dildos und andere Produkte für die gegenseitige Stimulation. Auch Plüschhandschellen finden sich im Sortiment des Geschäfts.
Ausschließen wollen die Unternehmer niemanden, weshalb sich schönerlieben auch nicht wie in vielen Medien als »christlicher Sexshop«, sondern als »Liebesshop mit christlichen Werten« verstehen. Peters sagt dazu: »Unsere Seite ist offen für alle.«
Inzwischen können sich die Betreiber über 3.000 bis 5000 Besucher im Monat freuen, die in etwa zu gleichen Teilen männlich und weiblich sind. Von ihrem Shop leben können die vier Unternehmer bisher nicht, sie betreiben schönerlieben nebenbei. Zwar sind einige der vier noch im Studium, doch langfristig glauben sie, den Shop wachsen lassen und hauptberuflich für das Unternehmen arbeiten zu können. Dafür suchen sie derzeit Investoren.
Nachfrage bestehe durchaus, so Peters. »Insbesondere bei Jugendgruppen sehe ich großen Bedarf«, sagt Jonathan Peters. »Im ersten Moment sind die meisten Leute skeptisch, wenn sie von unserem Angebot hören. Aber wenn man ihnen ein bisschen erklärt, was wir machen, dann ist die zweite Reaktion meist positiv.« Auch Senioren und über 80-Jährige sind Kunden des kleinen Shops.
Geplant ist unter anderem ein Blog, der Sexualität und christliches Leben miteinander vereinen soll. Aus Sicht der vier Shopbetreiber ist das eben kein Widerspruch, die Berührungsängste der Kirche können sie nicht verstehen: »In der Bibel lese ich, dass Sexualität etwas Tolles ist, das man genießen soll«, meint Peters.
Immer wieder versucht schönerlieben neue Kunden zu finden und war 2019 dafür auch auf dem Deutschen Evangelischen Kirchentag in Dortmund mit einem Stand vertreten. Zwar seien nicht alle Besucher des Kirchentags von schönerliebens Präsenz begeistert gewesen. Mitglieder der Mennoniten kritisierten das Geschäftskonzept deutlich und unnachgiebig. »Für die passt Christsein und Sexshop nicht zusammen«, so Peters. Solche Stimmen seien aber in der Minderheit. Die meisten Christen folgen der Gleichung Glaube = Liebe = Sexualität = Partnerschaft durchaus. Ein großer Markt also, den es für die vier zu erobern gilt.
Hier finden Sie den Webauftritt von schönerlieben.